Der Fairbruar wandert durch die sozialen Medien. Die Aktion soll zum Nachdenken anregen und auch mal zeigen, was alles drin steckt in der eigenen Arbeit – kurzum zu sagen „ich bin es wert für meine Arbeit fair bezahlt zu werden“.
Versteht mich nicht falsch: ich liebe meinen Fulltime-Job als Schnittmuster-Designerin und kann mich absolut nicht beschweren! Aber in Zeiten, in denen eine Rabattschlacht der nächsten folgt und neue Ebookersteller, die das „so nebenbei als Hobby machen“, wie Pilze aus dem Boden sprießen, denke ich als (studierte) Designerin dreimal darüber nach, für wie viel ich ein neues Ebook anbieten soll/kann.
Meine Probenäherinnen sagen immer, meine Ebooks sind deutlich mehr wert und sie würden gerne mehr dafür bezahlen. Auf dem englischsprachigen Markt sind um die 10$ für ein Schnittmuster übrigens der Standard.
Wie viel Zeit steckt eigentlich in so einem Hansedelli Ebook?
Habt ihr euch das schonmal gefragt? Wie wäre es mit: Eben schnell das Schnittmuster entworfen, hier ein paar Fotos knipsen, da ein paar Texte schreiben, alles zusammen in eine Datei schmeißen – und fertig ist das Ebook in wenigen Tagen. Das Probenähen dient dann ja eh nur noch der Werbung… stellt ihr es euch so vor? Dann muss ich euch leider enttäuschen.
Im Rahmen des Fairbruar möchte ich euch heute gerne genau erklären, was vor einer Ebook-Veröffentlichung alles so passiert und vor allem, wie viel Zeit das tatsächlich in Anspruch nimmt. Ich kann hierbei natürlich nur auf meine eigene Vorgehensweise eingehen, in der ich Wert auf Details und Qualität lege.
Vorweg möchte ich noch sagen, dass die folgende Berechnung anhand eines Projektes mit eher geringem bis mittlerem Aufwand erfolgt. Da ich bei Hansedelli fast alles alleine mache, fallen für andere Dinge täglich mehrere Stunden zusätzlich an, sodass ich in der Berechnung bei der Angabe „1 Woche“ von 5 Tagen á ca. 4-5 Stunden ausgehe – also insgesamt ca. 20-25 Std. pro Woche nur für dieses eine Projekt.
Los geht’s! Fairbruar – das „kostet“ ein Hansedelli Ebook an Zeit
Ideenfindung: 1 Woche
Am Anfang steht die Idee. Falls noch nicht, muss sie erst noch gefunden werden. Ich frage euch ab und zu, was ihr euch wünscht und baue darauf auf. Erstelle mir Moodboards, skizziere erste Ideen und halte Details fest, die ich integrieren möchte. Dann folgt eine technische Zeichnung auf Millimeterpapier von allen Seiten. Darauf aufbauend erstelle ich das erste, vorläufige Schnittmuster (noch alles von Hand).
Prototypen: 1-2 Wochen
Für diese Phase lasse ich mir gerne Zeit, denn nur wenn der finale Prototyp auch wirklich „funktioniert“, ist eine „Gelinggarantie“ möglich. Am ersten Prototypen teste ich alles aus, um zu sehen, was direkt gefällt und was nicht. Es folgen mindestens 2-3 weitere Prototypen, bis jedes Detail stimmt. Auch entwickle ich hier die Tricks und Besonderheiten für euch. Zwischendrin frage ich mein Stammteam nach ihrer Meinung.
Ebookfotos: 1 Woche
Nun werden Stoffe fürs Ebook herausgesucht. Hierbei achte ich auf bestimmte Kriterien, sodass ihr später im Ebook alles gut erkennen könnt. Es folgen die Schritt für Schritt Fotos – immer hin und her zwischen Nähmaschine und Fotoecke. Auch hübsche Fotos des finalen Modells gehören dazu. Alle Bilder müssen danach bearbeitet und sortiert werden.
Ebookdesign: 1-2 Wochen
Jetzt kann endlich die Gestaltung des Ebooks starten. Für die ersten Seiten habe ich mittlerweile eine Vorlage, die ich auf die neuen Inhalte anpasse. Hier erfahrt ihr allgemeine Infos und Druckanweisungen, wo die Teile hingehören, benötigte Materialien sowie konkrete Stoff- und Vlies-Empfehlungen. Danach fülle ich die Seiten mit den Bildern und achte auf eine logische Reihenfolge und Zusammenstellung. Nun fehlen noch die Schritt für Schritt Texte, die ich anhand meiner Stichpunkte verfasse. Ist die Anleitung fertig, digitalisiere ich noch das finale Schnittmuster.
Probenähen: 2 Wochen
Es folgt der Probenähaufruf und Probenäher werden ausgewählt, was mehrere Stunden dauert. Das Probenähen ist die Generalprobe des Ebooks, sozusagen. Hier wird getestet, ob alles „funktioniert“. Während des Probenähens probiere ich ständig präsent zu sein, um Fragen schnellstmöglich beantworten zu können. Es folgen tägliche, kleine Korrekturen und ggf. Änderungen.
Veröffentlichung: 1 Woche
Die finalen Bilder aus dem Probenähen werden noch in einem Lookbook zusammengefasst und alle Dateien final exportiert. Dann gestalte ich eine neue Produktseite im Shop, die möglichst viel über das Ebook zeigt. Es werden Beiträge für Blog und Social Media geplant.
Jetzt ist es endlich da!
Wow, alles zusammen ca. 7 bis 9 Wochen für ein Projekt mit geringem bis mittlerem Aufwand. Wenn wir da mal vom Mittelwert ausgehen, wären das (bei 5 Tage/pro Woche á 4,5 Stunden) um die 180 Stunden, die in so einem Ebook stecken.
Je nachdem, was man sich selbst als Gehalt zahlt (als Selbstständige und studierte Designerin sollte der Stundensatz schon im mittleren 2-stelligen Bereich liegen, denn man muss ja auch alle anderen anfallenden Kosten davon bezahlen), kommt hier für EIN Ebook schon echt viel zusammen, das ich erst einmal in dieses Ebook investiere, ohne zu wissen, ob es später überhaupt gut laufen wird.
Wahnsinn – hättet ihr das gedacht?
Fairbruar
Hallo Lisa, meiner Meinung nach sollten Deine Schnittmuster mindestens einen zweistelligen Betrag kosten.
Die Schnittmuster sind wirklich sehr aufwendig gemacht und lassen keine Frage offen.
Ich habe schon relativ viele , in erster Linie englischsprachige Schnittmuster, verarbeitet. Bei deren Preisgestaltung bewegt man sich immer über Deinem Preisniveau, ohne ein so detailliertes E-Book zu erhalten.
Ich würde auf jeden Fall einen höheren Preis bezahlen!
Ganz herzlichen Dank für dein liebes Feedback! Ich freue mich sehr darüber und werde drüber nachdenken 🙂